Ich will das Tabu brechen und die Mauern des Schweigens niederreißen. Für die Würde der gefolterten Frauen.
Die Italienerin Monika Hauser, 1959 in der Schweiz geboren, ist Gynäkologin und Direktorin der feministischen, international tätigen Frauenhilfsorganisation Medica Mondiale in Köln. 1992, mitten im Bosnienkrieg, eröffnete sie ein Therapiezentrum in der Stadt Zenica für weibliche Opfer von Vergewaltigung und Kriegstrauma. Mittlerweile arbeiten dort mehr als 80 bosnische Ärztinnen, Krankenschwestern, Therapeutinnen und andere Fachkräfte. Sie gründete Projekte für Opfer von sexueller Gewalt im Kosovo, in Albanien und Afghanistan. Medica Mondiale unterstützt lokale Frauenorganisationen anderer Länder, u.a. in Indonesien, im Irak und im Kongo.
Heißer Wind blies durch Kabul. 2002 flog Monika Hauser, die neben dem Therapiezentrum in Bosnien auch Projekte im Kosovo und in Albanien gegründet hatte, nach Afghanistan, um sich um kriegstraumatisierte Frauen und Kinder zu kümmern. Sie besuchte das Frauengefängnis in Kabul mit zwei Kolleginnen von Medica Mondiale, die seit Anfang 2002 dort aktiv ist. Das Gefängnis war baufällig, das Essen furchtbar, die Gefangenen wurden häufig geschlagen. Die meisten waren für "Moralverbrechen" eingesperrt: die Verweigerung von Zwangsheirat oder das Verlassen von gewalttätigen Ehemännern. Deprimiert verließ die Ärztin das Gefängnis.
Im Eingangsbereich traf sie Bruder und Tochter einer Gefangenen. Der Sohn durfte seine Mutter besuchen, doch die Tochter musste draußen bleiben. "Nur eine Person", hatte der Wächter befohlen und der Bruder der Gefangenen schickte den Sohn. Monika sah den leeren Blick des Mädchens – Panik, Zweifel, Verlassenheit und vollkommene Hoffnungslosigkeit. Ihre Augen spiegelten das gesamte Leid der afghanischen Frauen und Kinder, terrorisiert von Krieg und männlicher Gewalt, wider. Monika musste weinen. "Was stimmt mit der Frau nicht?", fragte der Wächter verwirrt. Nach der Erklärung sagte er: "Ich bin kein schlechter Mensch, das Mädchen darf seine Mutter besuchen."
"Diese Szene zeigt die Willkür der Männer“, sagte Monika später. "Es gibt eine Verschwörung unter Männern in Familien, Polizei, Gerichten und Moscheen, die ihnen die Frauen ausliefert. Gewalt ist überall, aber die Frauen haben niemals anderes erlebt und können sie nicht einmal erkennen und benennen. Sie sagen nur: 'Ich fühle mich schlecht'.
Aber es gibt einen Lichtblic: seit Oktober 2003 kümmern sich 10 Mitglieder von Medica Mondiale um 150 weibliche Gefangene in Kabul und Herat. Sie erreichten die Freilassung von 90 Gefangenen.