Blindheit ist nicht das Ende der Welt. Man kann als blinde Person ein wundervolles Leben führen.
Ruth Weiss
Leben ist endloses Lernen. Ich lernte, dass jede*r einzigartig ist und doch alle gleiche Rechte haben, dass es unabdingbar ist, solche Rechte zu verteidigen und die Vielfalt unserer Kulturen zu respektieren.
Ihr Kampf um Gleichstellung ist ein Kampf für Frieden.
Monika Hauser
Ich will das Tabu brechen und die Mauern des Schweigens niederreißen. Für die Würde der gefolterten Frauen.
Monika Gerstendörfer
Ich glaube an den Flügelschlag des Schmetterlings: Der Flügelschlag eines einzigen Schmetterlings in China kann – durch einen Prozess der Aufschaukelung – einen Orkan in Texas hervorrufen.
Marianne Grosspietsch
Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. - Albert Schweitzer
Maria Christina Färber
Wir müssen den Teufelskreis des Tötens durchbrechen. Der erste Schritt dahin ist, dass die Opfer von Gewalt nicht selbst zu Tätern werden.
Schwester Maria Christina hat lange das von ihr gewählte Heimatland Albanien als Ort ihrer Berufung erlebt, wie nur ein Mensch das kann, der tief im Glauben verwurzelt ist. Auch aus diesem Grund trat sie in den Orden Spirituelle Weggemeinschaft ein. Ab und zu verbringt sie ein paar Wochen im Schweizer Zentrum dieser Gemeinschaft, um neue Kräfte für ihr Leben in Dobrac zu sammeln. "Ohne die anderen, ohne meine religiöse Gemeinschaft, ohne unsere albanischen Kollegen/-innen und alle, die einen Schritt näher auf den Frieden zugehen, ohne die vielen Gebete von Freundinnen und Freunden, ohne die ständige Hilfe so vieler Menschen, ohne Gott, könnte ich in diesem Land nichts bewirken, überhaupt nichts."
Lea Ackermann
Ich akzeptiere das Argument, Prostitution und Sklaverei seien so alt wie die Menschheit und der Kampf gegen sie sei Sisyphosarbeit, nicht. Seuchen sind auch alt, aber wir hören nie auf, sie zu bekämpfen.
Karla-Maria Schälike
Seit 1989 arbeitet das Kinderzentrum Nadjeschda mit verlassenen Kindern. Doch aller Anfang war schwer: in dem kirgisischen Dorf, in dem für die Kinder gesorgt werden sollte, begegnete man ihnen mit Angst, Aggression und Hass. Dennoch gelang es mit der Zeit, die Gesundheit der Kinder zu verbessern und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Nach Jahren der geduldigen Arbeit bildet sich nun in der kirgisischen Öffentlichkeit das Bewusstsein aus, dass diese Kinder menschliche Wesen sind, denen geholfen werden kann. Ein/-e Journalist/-in taufte das Zentrum "Insel brüderlicher Liebe".
Diese behinderten, verstoßenen, angeblich nicht beschulbaren Kinder zeigen uns Erwachsenen, was wir im Alltagsstress oft vergessen: Ohne Liebe zwischen den Menschen wäre unser Leben kalt und öde.
Die Gründerin des Kinderzentrums Nadjeschda, Karla-Maria Schälike, erzählt über die Entstehung: "Als unser Sohn Gert-Michael starb, war ich von unbeschreiblichem Schmerz und Verzweiflung überwältigt. Dann erinnerte ich mich an einen gleichzeitig mit Gert-Michael geborenen behinderten Jungen. Die Ärzte/-innen wollten die Mutter zwingen, ein Dokument zu unterschreiben, dass sie ihr Kind abgibt. Noch schlimmer ist, dass viele Mütter ihre neugeborenen behinderten Kinder aus eigenem Antrieb dem Staat überantworten. Nachdem ich herausgefunden hatte, wohin diese verstoßenen Kinder gebracht werden, ging alles sehr schnell. Zuerst adoptierten mein Mann und ich Babys, die wegen ihrer Erkrankung weggegeben worden waren. Einige Jahre kümmerte ich mich selbst in unserer Wohnung um diese kleinen Gruppen vernachlässigter oder heimatloser Kinder. Ich spürte den tiefen Schmerz und das Verlustgefühl, das diese kleinen Wesen erlebten, und beantragte wiederholt beim zuständigen Ministerium die Genehmigung zur Eröffnung eines Kinderzentrums. Da ich die Kinder mit meinem kapitalistischen Hintergrund "anstecken" könnte, wurden die Anfragen stets abgelehnt. Nach der Perestroika wurde die ehemals kapitalistische und gefährliche Karla-Maria Schälike plötzlich in den Augen der sowjetischen Autoritäten zu einem normalen Mitglied des sowjetischen Kinderschutzbundes. Endlich konnte ich meine Hoffnung realisieren: Ich eröffnete ein Zentrum für Kinder, die Ausgestoßene waren und weder in den Herzen der Menschen noch in den Familien und Schulen einen Platz hatten. Wegen meiner Hoffnung, die Herzen der Menschen für diese Kinder zu öffnen, nannte ich das Zentrum auf Russisch 'Nadjeschda' und auf Kirgisisch 'Ümüt' (Hoffnung). Heute leuchtet dieser Hoffnungsstrahl über die schneebedeckten Berge Kirgisistans und reflektiert aus den Herzen vieler guter Menschen, auch in Europa, zu uns zurück. Dafür sind wir ewig dankbar."
2005 wurde Karla-Maria Schälike im Rahmen des Projektes „1.000 Frauen für den Frieden“ für den Friedensobelpreis nominiert.
Karla Schefter
Über jeden Berg führt ein Weg.
Alles begann damit, dass Karla Schefter vor rund 20 Jahren als OP-Schwester in einem deutschen Team nach Afghanistan ging. Das Elend dort ließ ihr keine Ruhe. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland fasste sie den Plan, ein Krankenhaus im ländlichen Afghanistan zu eröffnen. Mit unermüdlicher Ausdauer sammelte sie Spenden, brachte das Geld eigenhändig nach Afghanistan und begann mit dem Aufbau einer medizinischen Einheit im Westen der Provinz Wardak. Aus diesen bescheidenen Anfängen und nach einigen Rückschlägen entstand ein Krankenhaus, das jährlich etwa 100.000 Patienten/-innen behandelt, 75% davon sind Frauen und Kinder. Die Menschen kommen für die Behandlungen von weit her, oft in Begleitung ihrer Angehörigen, und alle werden aufgenommen. Im Gegenzug werden die Verwandten um ihre Mithilfe gebeten, sei es bei der Küchen- oder Gartenarbeit oder beim Putzen. Die Ärzte/-innen und Schwestern des Hospitals entbinden, behandeln innere Erkrankungen, operieren, organisieren Impfkampagnen und bieten zahn- und augenärztliche Dienste an. Ärztliche Teams reisen nach Wardak, um dort vorübergehend bei Untersuchungen und Operationen zu helfen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Ausbildung von Einheimischen, besonders Frauen, in Krankenpflege, traditioneller Geburtshilfe und Physiotherapie. Nach der Ausbildung bleiben sie im Krankenhaus oder arbeiten für andere Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation. Karla Schefters Engagement für die Bedürftigen in den afghanischen Bergregionen findet in Afghanistan und weltweit Anerkennung und Respekt. Sie wurde mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichnet.
Kein Rückschlag - ob bewaffnete Kämpfe in der Nähe des Krankenhauses, Versorgungsengpässe, Krankheit oder persönliche Verfolgung - konnte Karla Schefter von ihrem Ziel abhalten, medizinische Hilfe in einer abgelegenen Region dieses leiderfüllten Landes sicherzustellen. Im seit vielen Jahren von Krieg und zivilen Unruhen gebeutelten Afghanistan herrscht extreme Armut. Es fehlt am Lebensnotwendigsten und an medizinischer Versorgung, ganz besonders in den abgelegenen Bergregionen.
Judith Brand
Frieden kann nicht wieder hergestellt werden, indem wir uns zwingen zu vergessen. Er kann nur erreicht werden, wenn wir aus eigenem Antrieb aufeinander zugehen.
Judith Brand, geboren 1969 in einer süddeutschen Familie, entschied sich schon früh dafür sich für ein besseres Leben von weniger privilegierten Menschen zum einzusetzen. Als der Krieg in Kroatien und Bosnien 1992 begann, hatte Judith Brand das Gefühl, dass sie mehr tun müsste, als nur die Nachrichten im Fernsehen anzuschauen.
Jedes Jahr während ihrer Sommerferien engagierte sie sich für bosnische Kriegsflüchtlinge in Sammellagern in Kroatien und Bosnien. Seitdem kam sie immer wieder auf den Balkan zurück: Im Auftrag der deutschen NGO Amica e.V unterstützte sie traumatisierte Flüchtlingsfrauen in Tuzla, Bosnien-Herzegowina, im Rahmen eines Praktikums während ihres Studiums der Sozialarbeit. Diese Frauen waren auch Teil der wissenschaftlichen Recherche für ihre Diplomarbeit über die Veränderung der Lebensbedingungen bosnischer Frauen durch den Krieg. Nach ihrem Studienabschluss 1999 begann sie, im Kosovo zu arbeiten, und baute verschiedene Projekte für Mädchen und Frauen auf, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Mit Hilfe der Organisation Amica e.V. entstand ein selbsttragendes, multi-ethnisches Projekt in der umkämpften Region Rahovec/Orahovac, Kosovo.
Fünf Jahre später, als Judith Rahovec verließ, beschäftigte die lokale Organisation Hareja 40 Frauen in unterschiedlichen Aufgabenfeldern, z.B. der Unterstützung von Schulen, der Kinderversorgung, Computerkursen oder der Leitung eines Cafés. Diese Frauen ließen die alten Fehden hinter sich und setzten sich sogar gegen ihre eigenen Männer durch und fingen an zu arbeiten. Kriegstraumatisierte serbische und kosovarische Frauen begannen zusammenzuarbeiten.
Amica e.V. unterstützt auch heute Frauen und Mädchen in Krisenregionen und Nachkriegsgebieten. Für die in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo wurde Amica e.V. 2010 mit dem Deutschen UNIFEM-Preis ausgezeichnet.
Heide Göttner-Abendroth
Das Matriarchat zeigt uns eine ausgeglichene, gleichberechtigte und friedliche Gesellschaft, ohne Krieg und das Gesetz der Herrschaft. Ich bin überzeugt, dass das Matriarchat für eine humane Welt gebraucht wird.
Heide Göttner-Abendroth ist Philosophin und Erforscherin matriarchaler Gesellschaften und Kulturen. Aufgewachsen in Ostdeutschland, entwickelte sie früh ein Interesse an egalitäre und friedliche Gesellschaften und stellte soziale Muster stets in Frage. Sie ist eine der Frauen, die im Rahmen der weltweiten Initiative „1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005“ nominiert wurden.
1973 wurde sie zur Doktorin der Philosophie und Wissenschaftsgeschichte an der Universität München promoviert und lehrte dort zehn Jahre. Ihre Forschung über Strukturen, die vor dem Patriarchat bestanden, stellte ihre Weltanschauung und ihr Geschichtsverständnis auf den Kopf. Während des Protests gegen Frauendiskriminierung trat sie 1976 der Frauenbewegung bei und wurde eine Vorreiterin der Frauenforschung in Deutschland. Sie wurde als scharfsichtige Kritikerin des Patriarchats bekannt und wurde die Gründungsmutter der modernen Matriarchatsforschung.
1986 gründete Heide Göttner-Abendroth Hagia, die unabhängige Internationale Akademie für Matriarchatsforschung in Deutschland, welche hauptsächlich von Frauen besucht und unterstützt wird. In ihren viel gelesenen Büchern kämpfte sie gegen Vorurteile gegenüber matriarchalen Gesellschaftsformen. In ihrem 1988 veröffentlichten Hauptwerk "Das Matriarchat" zeigt sie, dass diese Gesellschaften nicht von Frauen dominiert werden, sondern dass sie auf dem Prinzip der Balance zwischen den Geschlechtern und Generationen und zwischen der Menschheit und der Natur beruhen. Mit den Werten der Mütterlichkeit und intelligenten Grundsätzen organisierten Frauen Gesellschaften der Gleichberechtigung, um Gewalt zu verhindern und Frieden zu erhalten. Sie basieren auf Kommunikation und Konsensfindung, nicht auf Herrschaft. Daraus gewann sie für die Zukunft der Menschheit die Vision eines wahrhaft humanen Lebens.
Im Jahr 2011 leitete Heide Göttner-Abendroth eine Konferenz zur Matriarchatspolitik mit dem Titel "Die Zeit ist reif. Wir gehen in eine lebenswerte Gesellschaft" in St. Gallen, Schweiz. Im Jahr 2012 erhielt sie den "Saga Award" der Association of Women & Mythology in Kalifornien.
Die Matriarchatsforschung war und ist Gegenstand von Angriffen durch wissenschaftliche, psychologische und christliche Gruppen, von der politischen Linken und Rechten, von Männern und Frauen. Sie wird von verschiedenen patriarchalischen Denkschulen und Institutionen von Männern und Frauen gleichermaßen als Bedrohung wahrgenommen.
Cathrin Schauer
Jeden Tag treffe ich Frauen, die niemals gefragt wurden, wie sie sich fühlen. Schon einer Frau zuzuhören, sie zu umarmen, den Problemen ihres verzweifelten Lebens zu lauschen, bedeutet Hilfe.
Auf einer etwa 250 km langen Strecke entlang der deutsch-tschechischen Grenze entwickelte sich in den letzten 15 Jahren eine neue Prostitutionsszene. Die Zahl der Prostituierten und Freier steigerte sich dramatisch, ebenso die Brutalität, die hierarchischen Bandensysteme und das Elend der Frauen und Kinder. Die Kunden kommen fast alle aus Deutschland. Unter den über 1.000 Prostituierten sind Frauen, Mädchen und immer mehr Kinder aus der Tschechischen Republik, Osteuropa und einige aus Asien. Dies ist der Arbeitsplatz von Cathrin Schauer.
Die Krankenschwester und Sozialarbeiterin besucht jeden Ort im größten Rotlichtviertel Europas einmal in der Woche, auch die Straßenstriche und Bordelle. Sie bringt Kondome, Ratschläge und einen flüchtigen Eindruck von Normalität.
"Jeden Tag treffe ich Frauen, die niemals wirklich gefragt wurden, wie sie sich fühlen. Ihnen einfach nur zuzuhören, sie zu umarmen, den Problemen ihres verzweifelten Lebens zu lauschen, hilft.“ Aber dies ist nur ein Teil ihrer Arbeit. Über die Jahre hat sie 168 Frauen geholfen, aus der Prostitution auszusteigen. Sie eröffnete ein Beratungszentrum in der tschechischen Stadt Cheb, benannt nach ihrer Freundin Marita P., die an Aids starb. Cathrin schrieb ein Buch und startete Kampagnen, um das öffentliche Bewusstsein zu wecken. Sie und ihre Kollegin sind die einzige Hilfe für die Prostituierten in der Region. Die Finanzierung ist ausgelaufen, daher wird die Organisation Karo e.V. nur noch aus privaten Beiträgen finanziert.
"Ich wünschte, die Politiker/-innen, die für die Verteilung der Finanzmittel verantwortlich sind, würden uns nur für 24 Stunden begleiten. Niemand kann sich vorstellen, wie diese Frauen und Kinder leben müssen. Ausmaß und Elend der Prostitution in dieser Region zeigen ein grundlegendes Problem im Kern der gesamten Gesellschaft. Deutschland muss Verantwortung übernehmen."
Bosiljka Schedlich
Das Kriegstrauma erfüllt alle unsere Zellen mit Furcht. Heilung ermöglicht die Rückkehr zum Frieden und zum gegenseitigen Vertrauen als Menschen.
Das von Bosiljka Schedlich 1991 in Berlin gegründete Zentrum südost Europa Kultur e.V. führt viele Projekte für traumatisierte Kriegsopfer aus dem ehemaligen Jugoslawien durch: Gruppentherapie, Sozialberatung, Sprachkurse, Ausbildungsprogramme für Jugendliche, Kunstgruppen für Kinder und Schulen für Romakinder in Bosnien. Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat Bosiljka Schedlich im ehemaligen Kriegsgebiet auch die Versöhnungsarbeit durch Patenschaften belebt.
Die Erzählcafés in Bosnien, von denen es jetzt mehr als 60 gibt, sind ihr Lieblingsprojekt. Der Grundgedanke ist, dass ältere Menschen aus dem Wohnort und ausländische Gäste ihre Lebensgeschichten in einer angenehmen Atmosphäre erzählen können. Auf diese Weise können Menschen in den Geschichten anderer das Leiden ohne den ethnischen Kontext anerkennen. So haben bereits ältere Menschen vom Zweiten Weltkrieg erzählt; ein deutsches Ehepaar hatte während der Hitlerzeit Juden/Jüdinnen versteckt. Andere berichteten von ihren Erlebnissen in anderen Kriegen; einer hatte zum Beispiel den Krieg in Algerien überlebt.
In Bjeljina, das noch immer eine Festung des serbischen Extremismus ist, hatte eine Muslimin den Mut, über ihre Begegnung mit einem der berüchtigten serbischen Milizenführerzu sprechen. "Sie erzählte von den vielen Leichen vor dem Hospital", sagt Bosiljka. "Es waren Menschen, die von der Miliz erschossen worden waren. Tödliches Schweigen. Ein alter Lehrer, dessen Sohn die extremistische serbische Partei gegründet hatte und für den dieser Führer ein Held war, signalisierte mir immer wieder, ich solle die Frau unterbrechen. Meine Kollegen/-innen verließen den Raum, sie dachten, nun würde eine Bombe platzen. Als die Frau fertig war, ließ ich den Lehrer sprechen. Er ratterte die serbische Propaganda herunter.
Als er aufhörte, dankte ich ihm und beendete das Thema. Wir seien nur an dem interessiert, was jede und jeder Einzelne, nicht die ethnischen oder religiösen Gruppen, erlebt hatte. Das war für ihn die Bombe, aber es wirkte. Danach waren alle entspannter und wir sangen zusammen."
Als der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach, flohen etwa 45.000 Menschen nach Berlin. Im Zentrum südost Europa Kultur e.V. fanden viele von ihnen Schutz, Rat und Hilfe. Das Zentrum hilft bei der Wiederherstellung eines Gefühls der Menschenwürde. Heute führt das Zentrum auch in den vom Krieg zerstörten und traumatisierten Gebieten Projekte durch.
Barbara Gladysch
Mütter für den Frieden
Meine Utopie ist es, dass wir Mütter, wir Frauen, unsere Söhne vom Militärdienst fernhalten können, ganz gleich, in welchem Teil der Welt sie kämpfen sollen.
Barbara Gladysch, geboren 1940, arbeitete 36 Jahre lang als Sonderschullehrerin. Sie hat sich der Aufgabe gewidmet, Kindern weltweit ein Leben in Frieden zu sichern. "Kinder haben ein Recht auf Frieden und wir Erwachsene müssen ihn für sie schaffen", sagt Barbara Gladysch.
1981 gründete sie in Düsseldorf „Mütter für den Frieden“. Bereits zuvor hat sie sich in der Friedensbewegung engagiert, machte mit bei Blockaden vor Atomraketen-Stützpunkten, Menschenketten, Kundgebungen und Fastenaktionen. Mit russischen Müttern setzte sie sich zunächst im Krieg gegen Tschetschenien für den Frieden ein. Anfang der 1990er Jahre kümmerte sie sich um Kriegsflüchtlinge vom Balkan und gründete die Hilfsorganisation „Kinder von Tschernobyl“.
Als Barbara Gladysch 1996 zum ersten Mal nach Grosny, der Hauptstadt des vom Krieg zerrissenen Tschetschenien, reiste, berührte sie vor allem die Notlage der Kinder. Einige waren psychisch so stark geschädigt, dass sie nicht mehr sprachen, nicht mehr spielten und niemanden mehr direkt ansahen. 1997 gründete sie daher das Therapiezentrum Kleiner Stern in Grosny für Kinder, die im Krieg traumatisiert wurden. Hier werden Kinder durch Therapeuten/-innen und Erzieher/-innen ermutigt, über ihre Kriegserlebnisse zu sprechen, und sie lernen, wieder zu singen und zu tanzen.
1998 wurde sie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Viele weitere Auszeichnungen folgten, u.a. die Ehrenmitgliedschaft im Komitee der Russischen Soldatenmütter sowie dem Mac-Bride-Friedenspreis des internationalen Friedensbüros.
Das ihr 2005 zuerkannte Bundesverdienstkreuz I. Klasse lehnte Barbara Gladysch ab. Ende 2016 kündigte sie an, den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen wegen der Abschiebung von 10 Flüchtlingen nach Afghanistan abzulehnen.
Seyran Ateş
Ich bin auf einem langen, schmalen Pfad ich laufe Tag und Nacht Ich weiß nicht, in welchem Land ich bin Ich laufe Tag und Nacht. - Asik Veysel
Seyran Ateş, 1963 in der Türkei geboren, arbeitet in Berlin als Anwältin gegen Zwangsheirat und sogenannte Ehrenmorde. 1984 wurde sie angeschossen, als die Jurastudentin in einem Beratungszentrum für türkische Frauen arbeitete. Eine andere Frau starb am Tatort. Trotz dieser schmerzlichen Erfahrung gibt Seyran Ateş ihre öffentliche Unterstützung für Frauenrechte nicht auf. Als Berlin im Winter 2004/2005 von einer Serie von Ehrenmorden erschüttert wurde, bat sie die Regierung, bestimmte Gesetze zu stärken. Als Reaktion begann eine populäre türkische Zeitung eine Kampagne gegen die "verrückte Anwältin“.
Seyran Ateş sitzt in ihrem Büro im Zentrum von Berlin und schaukelt ihr Baby. Am Samstag würde die Anwältin mit türkisch-kurdischem Hindergrund lieber mit ihrer kleinen Tochter spielen als die Presse zu treffen. Aber sie hat unter der Woche keine Zeit. Seyran ist eine gefragte Frau, immer beschäftigt, Interviews zu geben oder Reden zu halten. Das Medieninteresse an ihr hat sich erhöht, nachdem Berlin der Tatort von fünf Ehrenmorden innerhalb von vier Monaten wurde. Fünf junge türkische Frauen, die ihr eigenes Leben führten und nicht in Zwangsheiraten einwilligten, wurden von Männern ihrer eigenen Familien getötet, weil sie die "Familienehre" beschmutzten. Seyran versucht den Frauen zu helfen, bevor es zu spät ist. Sie vertritt sie vor Gericht, bei der Annullierung von Zwangsheiraten oder der Scheidung von gewalttätigen Ehemännern. Und sie vertritt sie politisch in der Öffentlichkeit.
Ihre öffentlichen Reden setzten sie einem Risiko aus. Nachdem sie 1984 angeschossen wurde, ist sie sich der Gefahr nur allzu bewusst. Ihr linker Arm ist gelähmt und schmerzt immer noch. Sie brauchte mehrere Jahre, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Jetzt fühlt sie sich erneut bedroht, da die populäre türkische Zeitung "Hürriyet“, in Deutschland viel gelesen, eine Kampagne gegen sie gestartet hat. "Diese Anwältin ist verrückt geworden“, schrieb die Zeitung. Sie habe behauptet, alle Türken seien Verbrecher. Natürlich hat Seyran das nie gesagt. Sie ist weder Männerhasserin noch Islamhasserin. Sie versucht, so vorsichtig wie möglich zu argumentieren. Aber sie will nicht ihren Glauben daran aufgeben, dass Frauen dieselben Rechte haben wie Männer. Ihre Klienten/-innen kennen und verstehen ihre Position. "Viele sagen, dass ich ihnen Mut und Stärke gebe“, strahlt sie vor Freude. "Jede Frau, die mein Büro glücklich verlässt, ist ein Erfolg für mich. Frauenrechte sind mein Lebenswerk.“
Ungefähr zwei Millionen Menschen in Deutschland sind türkischer oder kurdischer Abstammung. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskriminierung haben dazu geführt, dass sie eine traditionelle Lebensweise führen. Viele junge Frauen müssen arrangierte Ehen akzeptieren. Wenn sie rebellieren, laufen sie Gefahr, von den Männern ihrer eigenen Familie getötet zu werden.