Seit 1989 arbeitet das Kinderzentrum Nadjeschda mit verlassenen Kindern. Doch aller Anfang war schwer: in dem kirgisischen Dorf, in dem für die Kinder gesorgt werden sollte, begegnete man ihnen mit Angst, Aggression und Hass. Dennoch gelang es mit der Zeit, die Gesundheit der Kinder zu verbessern und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Nach Jahren der geduldigen Arbeit bildet sich nun in der kirgisischen Öffentlichkeit das Bewusstsein aus, dass diese Kinder menschliche Wesen sind, denen geholfen werden kann. Ein/-e Journalist/-in taufte das Zentrum "Insel brüderlicher Liebe".
Diese behinderten, verstoßenen, angeblich nicht beschulbaren Kinder zeigen uns Erwachsenen, was wir im Alltagsstress oft vergessen: Ohne Liebe zwischen den Menschen wäre unser Leben kalt und öde.
Die Gründerin des Kinderzentrums Nadjeschda, Karla-Maria Schälike, erzählt über die Entstehung: "Als unser Sohn Gert-Michael starb, war ich von unbeschreiblichem Schmerz und Verzweiflung überwältigt. Dann erinnerte ich mich an einen gleichzeitig mit Gert-Michael geborenen behinderten Jungen. Die Ärzte/-innen wollten die Mutter zwingen, ein Dokument zu unterschreiben, dass sie ihr Kind abgibt. Noch schlimmer ist, dass viele Mütter ihre neugeborenen behinderten Kinder aus eigenem Antrieb dem Staat überantworten. Nachdem ich herausgefunden hatte, wohin diese verstoßenen Kinder gebracht werden, ging alles sehr schnell. Zuerst adoptierten mein Mann und ich Babys, die wegen ihrer Erkrankung weggegeben worden waren. Einige Jahre kümmerte ich mich selbst in unserer Wohnung um diese kleinen Gruppen vernachlässigter oder heimatloser Kinder. Ich spürte den tiefen Schmerz und das Verlustgefühl, das diese kleinen Wesen erlebten, und beantragte wiederholt beim zuständigen Ministerium die Genehmigung zur Eröffnung eines Kinderzentrums. Da ich die Kinder mit meinem kapitalistischen Hintergrund "anstecken" könnte, wurden die Anfragen stets abgelehnt. Nach der Perestroika wurde die ehemals kapitalistische und gefährliche Karla-Maria Schälike plötzlich in den Augen der sowjetischen Autoritäten zu einem normalen Mitglied des sowjetischen Kinderschutzbundes. Endlich konnte ich meine Hoffnung realisieren: Ich eröffnete ein Zentrum für Kinder, die Ausgestoßene waren und weder in den Herzen der Menschen noch in den Familien und Schulen einen Platz hatten. Wegen meiner Hoffnung, die Herzen der Menschen für diese Kinder zu öffnen, nannte ich das Zentrum auf Russisch 'Nadjeschda' und auf Kirgisisch 'Ümüt' (Hoffnung). Heute leuchtet dieser Hoffnungsstrahl über die schneebedeckten Berge Kirgisistans und reflektiert aus den Herzen vieler guter Menschen, auch in Europa, zu uns zurück. Dafür sind wir ewig dankbar."
2005 wurde Karla-Maria Schälike im Rahmen des Projektes „1.000 Frauen für den Frieden“ für den Friedensobelpreis nominiert.