Evolutionsgenetische Mythen besagen, Frauen seien friedlicher als Männer. Männer hätten ja auch ihre Familien gegen wilde Tiere und Feinde verteidigen müssen, damals. Das legt man(n) nicht einfach so ab! Frieden wäre demzufolge also eher Frauensache – logisch. Trotzdem ist heute nur jede zehnte Person in Friedensverhandlungen eine Frau. Ganz schön komisch, oder? Das fand auch Netumbo Nandi-Ndaitwah, ehemalige Frauenministerin von Namibia, auf deren Initiative im Jahr 2000 die Resolution 1325 “Frauen, Frieden und Sicherheit” vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedet wurde.
Die Resolution fordert unter anderem die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen an Prozessen zur Konfliktlösung, Friedensverhandlungen und Gewaltprävention auf regionaler, nationaler sowie internationaler Ebene. Ein weiteres Ziel der Resolution ist, Frauen und andere vulnerable Gruppen, wie etwa Menschen aus der LGBTQI+ Community, vor geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt zu schützen. Diese beiden Ziele sind miteinander verknüpft. Ein Beispiel: Eine Datenerhebung aus 39 Ländern zeigte, dass eine vermehrte Präsenz von Frauen in 'Sicherheitsapparaten' wie beispielsweise der Polizei, mit geringeren Fällen sexualisierter Gewalt verknüpft werden kann.
Am 24.02.2021 wurde nun der dritte Nationale Aktionsplan (NAP) von der Bundesregierung verabschiedet. Er stellt eine Schwerpunktsetzung und Richtlinie zur Umsetzung der Resolution 1325 in der deutschen Politik für die kommenden vier Jahre dar (2021-2024). Das FNF war per Zoom dabei, als der neue NAP am 02.03.2021 von Politiker*innen, wissenschaftlichen Expert*innen und Aktivist*innen aus der Zivilgesellschaft vorgestellt und diskutiert wurde.
Laut Thania Paffenholz, geladene Expertin beim Launch des NAP, müsse bei der Umsetzung vor allem die qualitative Teilnahme von Frauen an Friedensverhandlungen im Vordergrund stehen. Es müsse sichergestellt werden, dass Frauen in Friedensprozessen gehört, respektiert und anerkannt werden, anstatt lediglich die quantitative Teilhabe von Frauen zu fördern. Eine der Grundideen des Aktionsplans, Friedens- und Entscheidungsprozesse inklusiv zu gestalten und die Teilhabe von Frauen zu stärken, sei prinzipiell zu begrüßen. Bevor mensch jedoch nur davon redet Frauen “mehr einbeziehen” zu wollen, sei es genauso wichtig, anzuerkennen, dass Frauen bereits maßgeblich an Friedensprozessen beteiligt sind. Auch am Beispiel der Demonstrationen in Belarus zeigte sich: Es waren vor allem Frauen, welche jede Woche auf die Straße gingen und sich massiver Gewalt seitens der Regierung und der Polizei stellten.
Auch Fatima Askira, Gründerin von „Borno Women Development Initiative“ in Nigeria, kritisierte die Umsetzung des NAP. Bereits der zweite Aktionsplan der Bundesregierung hätte die Teilhabe von Frauen an Krisenprävention und Konfliktbewältigung fördern wollen. Realität sei jedoch, dass Aktivist*innen und Politiker*innen in vielen Ländern immer noch Verfolgung und Gewalt als Konsequenz von politischer Teilhabe zu befürchten haben.
Apropros Gewalt: Ein weiterer Schwerpunkt des neuen NAP ist der Schutz vor und Unterstützung bei geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt. Diese spiele sich nicht nur in den eigenen vier Wänden ab. Vielmehr handle es sich um ein systematisches und institutionelles Problem als Folge von patriarchalen Strukturen. Opfer seien oftmals Frauen wie auch Menschen der LGBTQI+ Community, welche aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder Sexualität eine vulnerable Gruppe darstellen, so die Bundesregierung. Unter dem Punkt „Schutz und Unterstützung“, verfolge mensch das Ziel, die Verfolgung von Täter*innen zu stärken sowie medizinische und psychologische Unterstützung für Opfer zu garantieren. Dies beziehe sich vor allem auf humanitäre Notsituationen, z.B. im Kontext von Flucht, oder bewaffnete Konflikte.
So weit so gut. Aber was ist denn eigentlich mit dem Punkt “Schutz und Unterstützung“ noch so gemeint?
Laut Bundesregierung beinhalte der Punkt auch Aspekte wie „den Zugang zu reproduktiver und sexueller Gesundheit und Rechten“. Da fragen wir zurück an die Bundesregierung: Wie und wo wird dies etwa in Moria, wo der so oft erwähnte Kontext einer humanitären Notsituation durchaus gegeben ist, garantiert? Viel zu oft beschriebene Phänomene wie das Ausbleiben der Menstruation bei geflüchteten Frauen aufgrund von trauma- und stressbedingten Situationen oder mangelnde sanitäre Anlagen während der Schwangerschaft klingen nicht gerade danach, als würde hier besonders viel Wert auf diesen Punkt gelegt. Warum nimmt die Bundesregierung hier die UNRES1325 nicht zum Anlass, die Menschen aus diesen menschenundwürdigen Umständen zu evakuieren? Ganz davon zu schweigen, dass der „Zugang zu reproduktiver und sexueller Gesundheit und Rechten“ auch außerhalb des Kontextes von Flucht und anderen humanitären Notsituationen nicht gegeben ist. Stichwort Stigmatisierung von Abtreibung.
Der dritte Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit enthält durchaus wichtige Ansätze und Ideen. Er darf jedoch kein bloßes Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss konsequent umgesetzt werden. Und vor allem muss er auch da ansetzen, wo es echter Veränderungen bedarf, wo patriarchale Strukturen endlich durchbrochen werden müssen und wo es politisch auch mal “weh tut” – und das nicht nur im Ausland, sondern genauso auch im Inland.