Unseren traditionellen Regionalen Streitschlichtungstreff konnten wir in diesem Jahr coronabedingt leider nicht durchführen, aber so ganz "ohne" sollte es dann doch nicht sein: Also luden wir am 27.04. zum ersten Digitalen Austausch für Lehrkräfte und Sozialarbeiter*innen aus der Region Bonn/Rhein-Sieg/Erft ein. Thema war die Streitschlichtung in Zeiten von Corona. Trotz strahlender Sonne, 18 Grad und chronischem Online-Veranstaltungs-Überdruss waren die 15 Teilnehmer*innen hinter ihren Bildschirmen hoch motiviert und sehr interessiert und tauschten sich engagiert über ihre Erfahrungen im Corona-Jahr aus. Dabei standen Fragen wie: "Welche Herausforderungen und welche neuen Konflikte gab es bei der Streitschlichtung? Wie sind die einzelnen Schulen damit umgegangen? Und wie soll es nach Corona weitergehen?" im Fokus.
Eine Herausforderung, die genannt wurde, war, dass die Schlichtung von Konflikten durch den Distanzunterricht oftmals nicht zeitnah geschehen konnte. Außerdem hätten sich viele Streitereien, die sonst auf dem Schulhof und in den Pausenhallen ausgetragen würden, in den Sozialen Medien abgespielt. So hätten Lehrkräfte, Sozialarbeiter*innen und Streitschlichter*innen oft erst verspätet oder gar nicht davon mitbekommen. Zudem sei die physisch stattfindende Peer-to-Peer-Mediation an fast allen Schulen ganz verboten worden - nur noch Erwachsene durften sich, zumindest solange es noch Präsenzunterricht gab, um die Konflikte zwischen Schüler*innen kümmern. Bis auch dies im späteren Voll-Distanzunterricht nicht mehr ging. Durch das Home-Schooling sei es außerdem vermehrt dazu gekommen, dass sich Eltern in die Konflikte der Kinder und Jugendlichen einmischten und die Situation damit verschärften. Verstärkt sei es zudem zu Konflikten gekommen, wenn die Schüler*innen sich zu digitalen Gruppenarbeiten hätten verabreden sollen und einzelne Personen permanent nicht erreichbar waren, sich übergangen fühlten oder einfach nicht reagierten.
Auch die Ausbildung zur Streitschlichter*in musste an die neue Situation aus Distanz- und Wechselunterricht angepasst werden. Während an einigen Schulen keinerlei Ausbildung stattfinden konnte, erarbeiteten sich andere die Möglichkeit, die Ausbildung in Form von Online-Seminaren und Workshops mit digitalen Methoden wie etwa Online-Rollenspielen oder dem digitalen Malen und Erraten von Gefühlen fortzuführen.
Auch von ein paar überraschenden positiven Effekten der Corona-Pandemie auf die Streitschlichtung wurde berichtet: Streitschlichter*innen seien sensibler für andere Signale außerhalb der Mimik geworden. Da ein großer Teil des Gesichts oftmals durch die Mund-Nasen-Maske verdeckt sei, seien die Schlichter*innen dazu gezwungen, mehr auf die Tonlage der Stimme oder die Augen der Konfliktparteien zu achten.
Nach einem regen Austausch der Teilnehmenden kam im zweiten Teil der Veranstaltung Martin Kühnemund, Trainer bei LOVE-Storm, mit einem Input zu Wort. Die Initiative "LOVE-Storm" setzt sich gegen Hass im Netz ein und bietet Online-Trainingsprogramme an, um mehr Sensibilität und Handlungsfähigkeit für das Thema zu schaffen. Für Schulen hat die Initiative nun das Projekt "Digitale Streitschlichtung" entwickelt, um Streitschlichter*innen zu befähigen, Konflikte über die schuleigenen Online-Kanäle und Messenger zu melden und zu bearbeiten. Schulen, die daran Interesse haben, sind herzlich eingeladen, sich bei LOVE-Storm zu melden.
Im Anschluss wurde diskutiert, was die Teilnehmenden sich für die Zukunft wünschen, um die Streitschlichtung auch nach Corona erfolgreich weiterführen zu können. Ein wichtiger Hinweis war hier, dass die neu auszubildenden Streitschlichtenden Unterstützung von erfahrenen Streitschlichter*innen bekommen sollten, etwa durch ein Pat*innenprogramm oder die Rekrutierung von eigentlich schon "verrenteten" Streitschlichter*innen der höheren Jahrgangsstufen.
Zum Abschluss gab es noch verschiedene Hinweise und Unterstützungsangebote: Etwa von Seiten des anwesenden Trainer*innenteams, das anbot, beim Neuaufbau der Streitschlichtung behilflich zu sein und auch so immer gerne Fragen zu beantworten; den Hinweis auf das Medienzentrum Bonn, das Schüler*innen-Medienscouts ausbildet; das Angebot des FNF, als Ergänzung zum einmal jährlich stattfindenden Streitschlichtungstreff ein neues, kürzeres Online-Format zum Austausch für die Lehrkräfte anzubieten sowie natürlich die herzliche Einladung, beim nächsten Regionalen Streitschlichtungstreff wieder dabei zu sein - dann hoffentlich wieder in Präsenz und in Begleitung der Streitschlichter*innen.
Wir danken allen Teilnehmenden ganz herzlich für die Zeit, die sie sich genommen haben, und die Offenheit, mit der sie ihre Erfahrungen geteilt haben, bei Martin Kühnemund für den spannenden Input und die Beantwortung aller Fragen zur Digitalen Streitschlichtung sowie bei unseren tollen Trainer*innen Jochen Mangold, Silke Maringer und Andreas Peters, die den Digitalen Austausch diesmal komplett ehrenamtlich vorbereitet und moderiert haben.
Foto: Das FNF-Streitschlichtungsteam v.l.o.n.r.u.: Silke Maringer (Trainerin), Elise Kopper (Geschäftsführerin FNF), Lea Tasyürek (Praktikantin FNF), Heide Schütz (Ehrenvorsitzende FNF), Andreas Peters (Trainer) und Jochen Mangold (Trainer)