Wir hatten bereits im Rahmen des Friedenszitat November 2022 und zuletzt im Kontext des globalen Klimastreiks von der Revolution im Iran berichtet, bei welcher sich maßgeblich die Frauen und Mädchen gegen das theokratische Regime stellen. Sie kämpfen für grundlegende Veränderungen und Rechte so u.a. gegen den Zwang, ein Kopftuch zu tragen, gegen die systematischen Menschenrechtsverletzungen und gegen die Regierung selbst. Auslöser täglicher Proteste war die Misshandlung und Ermordung der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im September 2022.
Um die Entwicklungen international auf eine Bühne zu heben und öffentlichen Druck zu erzeugen, haben sich insbesondere Mitglieder der iranischen Diaspora zusammengeschlossen, um die Gesellschaften ihrer Aufnahmeländer aufzuklären und Unterstützung zu generieren. Hoch aktuell und bestürzend sind dabei die anhaltenden Festnahmen, Verurteilungen und ausgeführten Exekutionen, welche die Protestierenden im Iran erleben müssen, und welche über Nachrichtendienste und soziale Medien bis hierher transportiert werden. Für viele Exil-Iraner*innen, sowie jene, die bereits hier geboren wurde, aber dessen Eltern Fluchterfahrungen machen mussten, bedeutet dies, dass sie Freund*innen und Familienmnitglieder im Iran verlieren oder bei Festnahmen kaum Informationen über diese erhalten.
FNF-Vorstandsfrau Annegret und Praktikantin Sophia waren am Wochenende in privater Sache bei einer unglaublich bewegenden Veranstaltung der (iranischen) Organisation "Free_Human_" in Köln. Bei dieser Veranstaltung ging es um Musik und Kunst als Zeichen von Protest im Iran. Die künstlerische Entfaltung ist im Iran stark eingeschränkt, insbesondere bei Musik- und Kunstformen, welche die eigene Identität und Individualismus zum Ausdruck bringen wie z. B. Rap und Grafitti. Beide Kunstformen, so durften wir erfahren, werden in der aktuellen Revolution stark als Protestformen verwendet. Allgemein ist es Frauen verboten, öffentlich zu tanzen und/oder zu singen.
Die Veranstaltung bestand aus zwei Podiumsdiskussionen (Panel), einem Poetry Slam, musikalischen Auftritten iranischer Künstler*innen sowie einer Kunstaustellung und einer T-Shirt-Druckerei. Im ersten Panel wurde die Bedeutung von Rap und Grafitti für die Jugend im Iran besprochen. Es ging insbesondere um die politische Ebene dieser Kunstformen sowie um die Hürden, welche den Künstler*innen begegnen, wenn sie ihre Musik und Kunst verbreiten möchten. Dies findet im Iran im Untergrund statt, sodass es keine formalen Musikstudios oder Plattenlabel gibt. Auch Frauen, welche rappen möchten, können dies nur stark annonymisiert tun und müssen dieses Hobby zum Teil vor ihrer Familie verborgen halten. Grundlegend wird allein das Rappen oder Sprayen von Graffitis als höchst politischer Akt im Iran betrachtet und verfolgt, selbst wenn der Inhalt nicht politisch ist. Es wurde auch darüber gesprochen, welchen Vorurteilen und Herausforderungen (junge) iranische Menschen bei ihrer Ankunft in Deutschland begegnen und wie die Rap-Kultur ihnen einen Raum zur persönlichen Entfaltung geben kann.
Im zweiten Panel wurde es sehr emotional und nahegehend, als Familienangehörige von inhaftierten Familienmitgliedern berichtet haben, darunter auch der Rapper Toomaj Salehi und die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi. Sie berichteten, wie es zu den Festnahmen ihrer Elternteile oder Kinder kam und unter welchen Haftbedingungen (z.b. der Einsatz von Folter) diese um ihr Leben kämpfen. Es wurde betont, wie wichtig es ist, internationale Aufmerksamkeit auch auf Einzelpersonen und -Geschichten zu lenken, da die öffentliche Berichterstattung darüber die Haftbedingungen der betroffenen Personen maßgeblich beeinflussen kann.
Während der Pausen zwischen den Panels hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit eine kleine Kunstauststellung der Künstlerin Sandra Bebuhdi zu dem Song „Baraye“ von Shervin Hajipour, der Hymne der Proteste, zu besichtigen und sich T-shirts mit dem Slogan „Woman, Life, Freedom“ mit einem Siebdruckverfahren „live“ bedrucken zu lassen. Im Anschluss haben dann die Musiker*innen Jasmin Shakeri, MC Basstard und Vahid Silent einige ihrer beindruckenen politischen Lieder vorgetragen. Währenddessen wurden aus dem Publikum immer wieder gemeinsame Sprachchöre initierte, welche unter anderem den Ausruf „Jin, Jiyan, Azadî“, zu Deutsch: „Frau, Leben, Freiheit“, beinhaltete, der als Freiheitsruf der Revolution bekannt geworden ist.
Es war eine überwältigende Veranstaltung, insbesondere wenn man in die Gesichter im Publikum geschaut und immer wieder auch Tränen in den Augen gesehen hat. Man hat gespürt, wie realitätsnah und traumatisch diese Entwicklungen im Iran für viele sind. Gleichzeitig war die Stimmung immer hoffnungsvoll und und einander bestärkend. Fazit war ganz klar, dass das, was im Iran passiert, eine Revolution ist, welche nicht mehr aufzuhalten ist und ein verändertes Land hervorbringen wird. Auch wenn es noch nicht absehbar ist, wie lange dieser Befreiungsprozess dauern wird. Und wir alle sollten uns stetig über die Lage informieren und zum Sprachrohr für die Menschen im Iran werden. Dies alles schafft die so wichtige Sichtbarkeit.
Impressionen von der Veranstaltungen können auf dem Instagram-Kanal von Free_Human_ angeschaut werden, dabei auch Videos der musikalischen Auftritte.